The Cope: Kommunale Kooperation als Lebenskultur
Paddy „the Cope“ hat für die Menschen in Dungloe wirtschaftliche Unabhängigkeit erstritten
Von Heinz Bück

Frankfurt am Main, 18.12.2023 – Die lokalen Gemeinschaften in Irland sind bis heute sehr stark. Die Menschen einander zugewandt. Als Träger traditioneller Werte sind die Familien und Nachbarschaften eng aufeinander bezogen. Ihre Nähe und Fürsorge, ihre Nachbarschaftshilfe hat diverse Gründe: gegenseitige Angewiesenheit, besonders in den entlegeneren Regionen wie in Mayo oder Donegal. Sie entspringt ethischer Überzeugung aus den katholisch geprägten, sozialen Überzeugungen und – historisch geprägt – unzweifelhaft dem Zusammenschluss gegen die Übergriffe der Kolonialherren. Auswanderung gehörte zur irischen Kultur wie der Kirchgang, nicht erst seit dee berüchtigten Großen Hungersnot.
Er lese nicht oft und nicht viel, hatte Manus, mein multitalentierter Meistermaurer gesagt. Aber Paddy the Cope‘s Autobiografie habe er verschlungen. Mir ging es nicht anders. Dabei stammt sie aus dem Jahr 1939, wiederaufgelegt 1979. Kein Wunder, denn sie erzählt nicht allein die Lebensgeschichte einer bemerkenswerten Unternehmerpersönlichkeit. Sie spiegelt Regionalgeschichte aus einer der entlegensten Ecken Irlands, und zwar in den dramatischen Jahren der irischen Unabhängigkeit. In seiner einfachen Sprache bricht Paddy „the Cope“ in seinen Lebenserinnerungen irische Geschichte unter britischer Herrschaft und kolonialer Politik herunter auf die Lebenswelt der einfachen Leute.
Armut und Arbeitslosigkeit waren allgegenwärtig für die Menschen jener Tage. Auswanderung oder Saison- und Fremdarbeit in Schottland, Liverpool und London oder in der walisischen Hauptstadt Cardiff, wo „Klein-Irland“ noch heute an die Quartiere der zugereisten irischen Arbeiterfamilien jener Tage erinnert.
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Hintergrund
Patrick Gallagher wurde am Weihnachtstag unter seinem irischen Namen als Pádraig Ó Gallchóir in Cleendra, Templecrone, geboren: am 25. Dezember 1871. Der Flecken liegt im Westen der Grafschaft Donegal und grenzt unmittelbar an Dungloe, dem kleinen, inzwischen 1.200 Seelen zählenden Zentrum der „Rosses“, das sich als „Land of the Lakes“ zwischen Gweedore River im Norden und dem Ästuvar des Gweebarra River im Süden an der Atlantikküste erstreckt. Umgeben von „Bogs and Rocks“, Mooren und schroffen Felsen. Das abgeholzte Land ist karg und arm waren die Leute hier seit je. Der saure, torfige Boden, war für Landwirtschaft nicht geschaffen. Kartoffeln konnte man noch in den Boden drücken, und Gartengemüse ziehen, wenn man im Herbst genug Tang als Dünger untergrub. Schafe und Ziegen waren genügsame Haustiere. Aber den Iren war bereits das Halten von Kühen vom Kolonialherren verboten. Schmale Subsistenz kennzeichnete ihr Leben in diesen Zeiten.
Britische Kolonialherrschaft bedeutete in Irland ein Zweiklassensystem: nicht allein die Enteignung der Iren, die Beschlagnahmung ihres angestammten Landes und dessen willkürliche Weitergabe an fremd eingesetzte englandtreue Landlords. Sie beinhaltete alsbald das Verbot von Landbesitz schlechthin und setzte stattdessen umkehrt auf feudale Strukturen wie die alljährliche Abgabepflicht von Pächtern und Craftern an installierte Landesheeren. Ebenso kolonial waren die Vertriebswege für die Landbevölkerung, die preislich von englischen Einkäufern und Verkäufern bestimmt waren.
Da war es geradezu revolutionär, als Paddy es 1906 zusammen mit 14 Gleichgesinnten aus seinem Heimatwinkel wagte, eine unabhängige Kooperative zu gründen, angeregt durch die schottische Co-op Bewegung und seine Beziehungen zur dortigen West-Calder Co-op Ltd. The „Cope“ spielt sprachlich mit „Coop“ und „to cope“ (es schaffen, es mesitern).
Eine halbe Krone betrug jeder Anteil. 800 Pfund sollen Paddy und seine Frau Sally eingelegt haben. Sie wollten die bescheidenen überschüssigen heimischen Erzeugnissen – wie etwa Eier oder handwerkliche Produkte aus der Heimarbeit wie die Strickwaren der Frauen zu besseren Preisen gemeinsam verkaufen. Und zu besseren Konditionen gemeinsam einkaufen. Denn Jahrzehnte lang waren die Frauen von Aranmore Island und aus dem Umland von Burtonport und Dungloe an Markttagen frühmorgens zu Fuß aufgebrochen, waren die Küste entlang gelaufen und hatten das seichte Delta des Gweebarra River durchwatet oder durchschwommen, um den Markt von Glenties zu erreichen. Hier konnten sie für schlechte Entlohnung Pullover, Socken oder Handschuhe aus der Heimarbeit an dieselben Weiterverkäufer verkaufen, die ihnen retour für teures Geld die Wolle für neue Produkte überließen.
Diese Einseitigkeit und Abhängigkeit sollte gebrochen werden. Als Gründer der „Templecrone Agricultural Co-operative Society“ kurz „The Cope“ wurde Galaghger – mehr noch als ihr ebenso erfolgreicher wie einfallsreicher Geschäftsführer – zum Vorstreiter für die Crafter in West Donegal. Angefeindet vom englandtreuen Establishment, verfolgt von Constablern der Krone und zu Unrecht diffamiert und inhaftiert, bliebt Paddy unbeugsam seinen Prinzipien und den Menschen seiner Community treu. Er organisierte im Laufe der Jahre Verkauftsaktionen für Woll- und Tuchwaren und knüpfte Beziehungen für direkte Absatzwege bis nach London. Er gründete Schifffahrtswege mit Hilfe der Fischer und später dann eigenen Booten, als der Export der Kooperative boykotiert wurde. Er verschiffte rosa Granit aus heimischen Steinbrüchen bis nach Schottland. Und so sind denn noch heute Straßen in Edinburgh mit Steinen aus „The Rosses“ gepflastert. Kein Wunder also auch, wenn ausgerechnet in der schottischen Hauptstadt ein modernes Theaterstück/ Musical zur Auffühung kommt, das diese Geschichten auf die Bühne bringt: „Paddy, The Cope“, geschrieben und geleitet von Raimund Ross, uraufgeführt im August 2021 in Edinburg im Rahmen des „Edinburgh Fringe Festival“.
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Zur Person
Als lokale Politikone bleibt Pat Galagher mindesten für die Leute in Nordwest-Donegal – in The Rosses rund um Burtonport und Dungloe – „Pat the Cope Galagher“. Einst MP für Westdonegal, irischer Staatsminister und Europaabgeordneter ist er – inzwischen in dritter Generation – auch noch stets der repräsentative und allseits bekannte Kopf der Gründerfamilie der lokalen Ein- und Verkaufsgenossenschaft „The Cope“.
Sein Großvater Pádraig Ó Gallchóir – für Nichtiren Paddy „The Cope“ Gallagher (25 Dez. 1871 – 24 Juni 1966) hatte sie 1890 gegründet. „Paddy the Cope“ verstarb am 24. Juni 1966.
Er selbst war als Mitglied der konservativen Partei Fianna Fáil von 2016 bis 2020 der „Leas-Cheann Comhairle of Dáil Éireann“, der 32. Stellvertretende Vorsitzende des irischen Parlaments. Von 1987 bis 1994 sowie 2002 bis 2008 war Patrick Galagher Minister of State . Er war Mitglied des Parlaments – Teachta Dála (TD) von 1981 bis 1997, von 2002 bis 2009 und von 2016 bis 2020 sowie Mitglied des Europaparlaments (MEP) von 1994 bis 2002 und von 2009 bis 2014.
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Schlagwörter: Kultur | Geschichte | Buch | IOI
(8.12.2023-hb)
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